Mittwoch, 10. Oktober 2012

Ahnenzeit

Herbstzeit ist Ahnenzeit. Jetzt, kurz vor Samhain, sind die Schleier zwischen den Welten dünner als sonst, davon bin ich überzeugt.

Vielleicht liegt es daran, dass mich ein Posting von Souffleurlos gerade so in Erinnerungen hineingebeamt hat, dass es mich fast von den Füßen holt.

Erinnerungen an Oma Martha, die gegangen ist, als ich hochschwanger war. Ich wusste, dass sie im Sterben lag, das wussten wir alle. Sie starb so, wie viele es sich wünschen: im hohen Alter, in ihrem eigenen Bett, umgeben von ihren drei Töchtern, die sie, so gut sie konnten, bei ihrem Übergang begleitet haben. In der Nacht, in der sie gestorben ist, bin ich aus dem Halbschlaf wieder hochgeschreckt, weil sie in der Zwischenwelt von Schlafen und Wachen plötzlich bei mir war, auf irgendeine Art. Sie hätte Angst, sagte sie, und ich versuchte, sie zu trösten, so gut ich es konnte. Bevor sie wieder ging, berührte sie mich und das Baby in meinem Bauch, und ich wusste, dass sie sich begegnet waren, irgendwo anders.

Erinnerungen an Opa Rudi, der kurz vor meiner Abifahrt starb. Er konnte leider nicht mehr das Krankenhaus verlassen, obwohl er es sich gewünscht hätte. Mein Cousin machte ihm für die Beerdigung Wellensittiche aus Holz, weil er den Vogelnachwuchs zu Hause nicht mehr sehen konnte. Ein Gefühl der Vergänglichkeit, das "Nie wieder", war für mich auf der Abifahrt ständiger Begleiter, zwischen den Ruinen des alten Griechenland. Als ich vor ein paar Tagen eine Videoaufnahme von ihm gesehen habe, war ich ein bisschen erschrocken: Ich hatte vergessen, wie seine Stimme klang.

Erinnerungen an Opa Heinz, der irgendwie wusste, dass er sterben würde, und uns deshalb noch wenige Stunden vor seinem Herzinfarkt unangekündigt besuchte. Den kleinen Zwerg mit der Bratpfanne, den ich an diesem Tag aus seinem Überraschungsei gezogen habe, habe ich viele Jahre lang aufgehoben. Irgendwann kam es mir albern vor und ich habe ihn doch weggeworfen. Schade eigentlich.

Erinnerungen an Oma Leni, die durch die Strapazen der Dialyse schon mit 66 eine ganz alte, demente Frau war und nur wenige Monate nach ihrem Mann ging, was sie sich sicher auch so gewünscht hatte. Manchmal, so wie jetzt, bin ich unsäglich traurig darüber, dass sie ganz alleine war, als es zu Ende ging. Ob sie auch Angst hatte? In der gleichen Stunde blieb eine Uhr stehen, die wir von ihr bekommen hatten.

Erinnerungen an Uroma Liesl, die einzige Uroma, die ich kennengelernt habe. Ich habe sie einmal weinen sehen, weil sie endlich sterben wollte, nachdem sie schon ihren Mann und ihren Sohn zu Grabe getragen hatte. Sie starb Jahre später, als mein Vater, ihr Enkel, selbst knapp dem Tod von der Schippe hüpfte. "Einer kommt, einer geht", sagt er noch heute, und ist überzeugt, dass sie auf ihn gewartet hat, damit er nicht derjenige war, der gehen musste.

Herbstzeit ist Ahnenzeit. Ihr Lieben, ich trinke auf euch! "In echt" einen Schluck dunkles Bier. In Gedanken ein Schöpple Äppelwoi.

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