Mittwoch, 16. Januar 2013

Sind Negerlein Kultur?

Das Thema geht ja schon seit einer ganzen Weile durch die Medien: Der Thienemann Verlag nimmt die Worte "Neger" (schon früher) und "wichsen" (ganz aktuell) aus den Kinderbüchern von Otfried Preußler heraus. Und die Öffentlichkeit echauffiert sich gewaltig.

Ich persönlich sehe das Thema recht entspannt (siehe unten). Was mich aber tatsächlich ein wenig schockiert, sind die Argumente, die in der aktuellen Diskussion vorgebracht werden.

Es sei "abscheulich" und "undenkbar", überhaupt nur über eine Änderungen von Kinderbuch-Klassikern nachzudenken. Das gehöre doch zu unserer Kultur und habe Tradition, und unsere Sprache hätte ja sowieso schon kaum noch deutsche Wörter, und womöglich dürfe man dann ja auch nicht mehr "10 kleine Negerlein" singen und dann müsse man ja in Zukunft auch Sinti-und-Roma-Schnitzel bestellen, muaha.

Die Gegenseite argumentiert - ebenso absurd - , es sei ja allerhöchste Zeit, dass da mal was unternommen würde, "Neger" sei ein rassistisches Wort und Kinder dürften damit nicht konfrontiert werden, sonst würde ihnen das rassistische Gedankengut quasi von klein auf eingeimpft. Aha.

Interessanterweise hängt sich die Diskussion in erste Linie am Begriff "Neger" auf. Über die Frage, ob auch "wichsen" zu unserer Kultur gehört und Tradition hat, habe ich bisher wenig gelesen.

Meine Meinung dazu: Sprache ändert sich. Wörter ändern ihre Bedeutung und kommen deshalb jetzt beim Leser/Hörer anders an als noch vor ein paar Jahrzehnten. Als "Die kleine Hexe" und "Pippi Langstrumpf" geschrieben wurden, waren die Begriffe "Negerkönig" und "durchwichsen" völlig neutral gemeint, während sie heute negativ (im Fall des Negerkönigs) oder mit einer anderen Bedeutung (im Fall von "durchwichsen", was nichts anderes als "verhauen" bedeutet) verstanden werden. Werden diese Begriffe verändert, wird das ursprüngliche Kommunikationsziel wiederhergestellt, auch wenn die Wörter nicht mehr die gleichen sind. Also: Ich find's gut, aber auch nicht so wahnsinnig wichtig.

Vor allem kann ich nur den Kopf schütteln, wenn "Zensur" und "Verbot" geschrien und der Untergang des Abendlandes oder doch zumindest der deutschen Sprache prophezeiht werden. Leute, keiner verbrennt die Bücher oder verbietet euch, die alte Version zu lesen! Und wenn es zu eurem Kultur- und Traditionsverständnis gehört, "Neger" zu sagen, dann verbietet euch das auch keiner. Aber meckert nicht, wenn ihr falsch verstanden werdet!

Ich singe übrigens auch nicht "10 kleine Negerlein", ich las bei Pippi Langstrumpf "Inselkönig" statt "Negerkönig" vor und fand es echt daneben, als in des Töchterchens Kindergarten auf dem Anlaut-Blatt für N das Wort "Neger" auftauchte. "Mohrenkopf" und "Zigeunerschnitzel" finde ich hingegen (noch?) nicht verwerflich. Dafür verwende ich das frühere Pfui-Wort "geil" (wie wohl auch die meisten anderen meiner und der nachfolgenden Generation) in der Bedeutung von "super", ohne sexuellen Anklang. Und ich sage "scheiße", was ich zwar nicht sehr elegant, aber doch auch nicht mehr vollkommen daneben finde. Wörter ändern sich. Sprache im Allgemeinen verändert sich. Das macht den Unterschied zwischen einer lebenden und einer toten Sprache aus. Nicht mehr und nicht weniger.

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Peter Wilhelm (Gast) - 27. Okt, 09:28

Ja, ich stimme Dir zu. Nur ist es aber so, daß wir eine Gesellschaft von Verpöhnern, Besserwissern und Respektlosen um uns herum haben.
Ich gehöre zu einer Generation und stamme aus einer Zeit, in der man durchaus anerkanntermaßen und ohne jeglichen rassistischen Hintergrund Neger sagte und in der das Wort "wichsen" zumindest noch überliefertermaßen z.B. für Schuhe wichsen sehr häufig benutzt wurde.

All diese Menschen, die u.a. diese beiden Begriffe verwenden, werden aber nun oft recht heftig angegangen, wenn sie es tun.
Diejenigen, die für sich beschlossen haben, diese Wörter nicht mehr zu verwenden, haben oft einen missionarischen Trieb und handeln oft auch in übertriebener Weise.

Natürlich ist man introspektiv und beobachtet sich selbst, vermeidet Reizbegriffe und bemüht sich, auch die Befindlich- und Empfindlichkeiten anderer zu berücksichtigen.
Man sagt heute nicht mehr Mongole oder Mongoloismus wenn es um das Down-Syndrom geht, man sagt nicht mehr Liliputaner, wenn man über Kleinwüchsige spricht.

Vielleicht sage ich eines Tages auch nicht mehr Neger und Schuhwichse, mag sein.

Aber man muß eben auch genügend Toleranz denen gegenüber haben, die diese Begriffe ohne Hintergedanken verwenden, weil sie zu ihrem Kultur- und Sprachschatz gehören.

Zigeuner hingegen werde ich immer sagen, denn die Angehörigen der Gruppen bezeichnen sich bei allen möglichen Gelegenheiten, genauergesagt immer wenn es ihnen paßt, selbst so, fühlen sich aber diskriminiert, wenn andere es tun.

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