Samstag, 19. Februar 2011

Zwischenzeugnis für das bayerische Schulsystem

Gestern gab es Zwischenzeugnisse. Das bedeutet, dass ich das erste Halbjahr überstanden habe. Und das bedeutet, dass drei Viertel meines Refs rum sind, allen Göttern sei Dank!

Ich finde, es ist ein guter Zeitpunkt, um mal ein paar Worte über die Zustände in bayerischen Grundschulen zu verlieren.

Eltern beschweren sich (und man liest es ja auch immer wieder), dass so viel Unterricht für die Kinder ausfallen würde. Ich kann nur sagen: Das stimmt. Und wenn man's genau nimmt, dann fällt eigentlich noch viel mehr Unterricht aus, nämlich in den Zeiten, wo die Kinder nur betreut sind, von einer spontanen Vertretung oder - noch viel schlimmer - aufgeteilt in anderen Klassen. Der Lernerfolg in diesen Zeiten ist, wie man sich denken kann, extrem gering, teilweise auch für die anderen Klassen. Ich hatte gestern zwei Schulstunden lang sieben (!) Kinder aus anderen Klassen zusätzlich mit im Klassenzimmer. Davon hatten drei Kinder überhaupt nichts zu tun, weil das Aufteilen wohl sehr spontan abgelaufen ist, so dass sie sich auch nicht still und sinnvoll beschäftigen konnten. Durch die Enge (es sind nicht mal genug Stühle für alle dagewesen, von Tischen mal ganz zu schweigen), durch die Lautstärke und die organisatorischen Dinge war der Unterricht auch für die Kinder meiner eigenen Klasse extrem ineffektiv. Von meinem Nervenkostüm reden wir dabei mal gar nicht.

Eigentlich werden bei Lehrerausfällen "Mobile Reserven" vom Schulamt zugeteilt, also Lehrer, die nicht fest an Schulen stationiert sind, sondern einspringen, wenn Lehrer krank werden. Tatsächlich bekommt man sie aber nur in absoluten Extremfällen. Kurz vor Weihnachen, als acht Lehrer in der Schule gleichzeitig krank waren, da hatten wir eine (!). Und noch mal eine, als eine Kollegin über mehrere Wochen ausgefallen ist, aber auch nur für ein Drittel der Zeit. Ansonsten kommt schlichtweg niemand. Weil die Mobilen Reserven sowieso recht knapp sind. Und weil ein guter Teil davon von vorneherein doch fest in einer Klasse eingeplant ist, wo Lehrer über lange Zeit fehlen. Und weil viele Lehrer in der Mobilen Reserve sind, die eine Klassenführung nicht mehr schaffen. Da die ständig wechselnde Vertretungsarbeit aber noch sehr viel anstrengender ist als der "normale" Unterricht, sind sie selbst häufig krank. Kurz gesagt: Es gibt viel zu wenige, die tatsächlich einsatzfähig sind.

Um für die Kinder irgendwelche Lösungen zu finden, reißen sich die Schulen dann Arme und Beine aus, damit es nicht noch mehr Ausfälle gibt: Lehrer machen Überstunden in teils ganz erheblichem Ausmaß. Unbezahlt und freiwillig übrigens. Klassen werden, wie schon beschrieben, aufgeteilt. Ich habe es schon zwei Mal erlebt und auch von anderen Schulen gehört, dass pensionierte Lehrer wieder zum Unterrichten in die Schule kamen. Ebenfalls freiwillig und unbezahlt und außerdem auf eigenes Risiko, weil sie ja nicht angestellt und damit auch nicht versichert sind. Und trotzdem fällt eben noch Unterricht aus, wenn jemand krank ist. Weil spätestens ab zwei oder drei kranken Lehrern die Stunden nicht mehr abgefangen werden können.

Die Eltern regen sich auf. Verständlich und zu Recht! Eigentlich müssten sie sich noch viel mehr aufregen, und zwar nicht an der Schule, sondern beim Schulamt. Denn die meisten Lehrer leisten wirklich, was sie können, und oft darüber hinaus. Es reicht bloß einfach hinten und vorne nicht.

Passend dazu werden aber im nächsten Schuljahr mehrere Tausend Lehrer weniger eingestellt (siehe zum Beispiel http://www.bllv.de/Debatte-um-Stellenkuerzungen.6211.0.html>hier). Im letzten Jahr saßen 73% des Prüfungsjahrgangs direkt nach dem Zweiten Staatsexamen auf der Straße. In diesem Jahr wird es wohl nicht besser aussehen.

Für das Fach "Lehrerversorgung" bekommt das bayerische Schulsystem von mir - auch wenn es nichts bringt - eine glatte 6.

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