Mittwoch, 29. Juli 2009

Über Organspende

Bei der Lakritzefrau wurde heute eher nebenbei das Thema Organspende angesprochen und dabei die Tatsache, dass sie und ihr Prinz keine Organe spenden wollen. Die Kommentare dazu waren eher verwundert, man hätte ihr eher das Gegenteil "zugetraut".

Ich hatte schon seit mindestens zwei Wochen vor, dieses Thema mal hier im Blog aufzugreifen, habe mich bisher aber davor gedrückt. Jetzt packe ich das Thema aber doch mal an. Zeit für ein ganz persönliches Statement:

Ich werde keinesfalls Organe spenden und ich werde auch bei Familienangehörigen, bei denen ich eventuell eine solche Entscheidung treffen muss, mit aller Kraft dafür eintreten, dass sie keine Organ"spender" werden. (Von Spende kann ja wohl keine Rede sein, wenn der, dem die Organe gehören, keine Entscheidung mehr treffen kann, oder?)

So klar war ich nicht immer. Im Gegenteil: Ich hatte jahrelang einen Organspendeausweis in der Tasche, bei dem angekreuzt war, dass ich bereit bin, alle Organe zu spenden. "Was soll ich damit, wenn ich tot bin", war meine Meinung, die sicher viele teilen werden.

Irgendwann kamen mir dann Zweifel: Kann ich mich wirklich darauf verlassen, dass für mein Leben alles getan wird, wenn ich als Organspender bekannt bin? Auch dann, wenn die Gefahr besteht, dass die Organe nicht mehr zu verwenden sind, wenn man noch länger warten würde? Und - von einer ganz anderen Ebene aus betrachtet - bindet es meine Seele irgendwie an diese Welt, wenn noch Organe des alten Körpers "am Leben" sind? Behindert das eine Seele beim Übertritt in eine andere Welt? Ich war unentschlossen und fühlte mich nicht in der Lage, wirklich eine Entscheidung zu treffen. Schließlich nahm ich den Organspendeausweis wieder aus meinem Geldbeutel heraus, wusste aber, dass das keine Entscheidung, sondern nur ein Aufschieben der Entscheidung war.

Schließlich erfuhr ich, dass eine Frau, die ich aus einer Seminargruppe kenne, sich sehr lange mit dem Thema beschäftigt hat und sogar ein Buch darüber geschrieben hat: Renate Greinert. Ihr Buch heißt Unversehrt sterben - Konfliktfall Organspende. Sie beschreibt darin ihre eigenen Erfahrungen mit der Transplantationsmedizin:

Vor über 20 Jahren starb ihr 15jähriger Sohn durch einen Verkehrsunfall und Renate hat einer Organentnahme zugestimmt. Als sie dann kurz vor der Beerdigung eine Öffnung des Sarges erzwang, sah sie ihren Sohn regelrecht "ausgeweidet" vor sich, mit einer riesigen, nachlässig verschlossenen OP-Wunde und ohne Augen. Vollkommen schockiert von diesem Anblick und ihrer Entscheidung für die Organentnahme fing sie an, sich mit diesem Thema intensiv auseinanderzusetzen und fand dabei furchtbare Dinge heraus, die sie bewogen haben, den Kampf gegen die Transplantationsmedizin aufzunehmen, den sie bis heute kämpft.

Die Kernaussage ihres Buches ist, dass hirntote Menschen mitnichten tot, sondern vielmehr sterbend sind, also während der Organentnahme noch am Leben. Sie begründet und belegt das sehr eindrücklich und lässt auch Mediziner zu Wort kommen, die der Transplantationsmedizin kritisch gegenüberstehen.

Es geht noch um viele andere Themen und Probleme rund um die Transplantationsmedizin, die ich jetzt nicht alle aufrollen kann und will, die mir aber das Blut in den Adern haben gefrieren lassen, als ich das Buch gelesen habe.

Ich habe Renate übrigens als eine Frau kennengelernt, die sehr gründlich und genau recherchiert. (Das muss sie auch, weil sie sich vielen Anfeindungen gegenübersieht und weiß, dass sie sofort zerrissen würde, wenn sie etwas schriebe, das nicht belegbar ist.) Das Buch ist wirklich absolut empfehlenswert und ein notwendiges Gegengewicht zur Pro-Organspende-Werbung mit all den mitleiderregenden Gesichtern von Kranken, die auf ein Organ warten. Ich kann allen, die sich über das Thema auch von der anderen Seite informieren wollen, „Unversehrt sterben“ nur ans Herz legen.

Ich habe daraufhin jedenfalls beschlossen, dass ich mein Sterben auf keinen Fall hergebe werde, um am Leben gehalten zu werden, bis die Organe verteilt sind und dann in einer großen Operation zur Organentnahme zu sterben. Dieses Opfer ist mir ganz eindeutig zu groß. Die Kehrseite des Ganzen ist natürlich, dass ich auch selbst kein Organ annehmen kann, auch wenn dieser Gedanke mir noch recht schwer fällt. Ich hoffe von Herzen, dass ich niemals in die Situation komme, mir darüber konkretere Gedanken zu machen...

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Danke dafür. Und danke für den Buchtipp. Es ist so erleichternd, jemanden zu kennen, der auch nicht spenden möchte. Man kommt sich nicht mehr so "asozial" vor ;)

Mein Beitrag dazu kommt schnellstmöglich!

raumschots - 30. Jul, 16:20

Sehr interessanter Beitrag, gut dargestellt. Meine Rede schon immer, allerdings ist es schwer, sich bei den "stolzen" Organspendern mit ihren Ausweisen, verständlich zu machen...

Lakritzefrau (Gast) - 31. Jul, 13:51

Schatzi, mein Artikel steht :-))

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