Donnerstag, 12. Mai 2011

Unsensible Kommentare oder das "Boah-das-wird-schrecklich-Phänomen"

Mir fällt immer wieder ein Phänomen auf, das ich mir nicht wirklich erklären kann. Ich nenne es mal das "Boah-das-wird-schrecklich-Phänomen":

Angenommen eine Bloggerin schreibt, dass sie schlimme Angst vor einem bevorstehenden Zahnarztbesuch hat, weil sie weiß, dass umfangreiche und schmerzhafte Behandlungen notwendig sind. Dann gibt es natürlich eine Menge mitleidige, freundliche und aufbauende Kommentare, aber auch garantiert mindestens einen, der sinngemäß schreibt: "So was hatte ich auch mal, das war soooo schlimm, dann haben auch noch die Medikamente nicht angeschlagen und ich musste zwei Wochen ins Krankenhaus, wo ich vor Schmerzen geschrien habe. Aber ich wünsche dir alles Gute." Na danke auch.

Oder jemand schreibt über eine noch undefinierte Krankheit ihres Kindes und darüber, dass sie sich über die seltsamen Symptome Sorgen macht. Ga-ran-tiert taucht in kürzester Zeit ein Kommentar auf, der irgendwelche grausigen Prognosen enthält, begonnen mit dem Satz. "Ich kenne da jemanden, bei dem war das so:" Genau das, was man braucht, vielen Dank.

Die Meisterinnen des Boah-das-wird-schrecklich-Phänomens sind übrigens Mütter. In keinem anderen Zusammenhang wird so hemmungslos, blutrünstig und begeistert über körperliche Vorgänge und gesprochen wie beim Thema Geburt. Hochschwangere LIEBEN es zu hören, dass der Damm bei der Bekannten damals 12 Zentimeter gerissen ist und ihr noch sechs Wochen später Probleme gemacht hat. Oder dass sie 36 Stunden in den Wehen gelegen hat, bevor ein Kaiserschnitt gemacht werden musste. Oder dass es bei der Bekannten einer Bekannten damals auch "so" aussah und dann war das Kind schwer behindert. Oder sonst was. Die Variationen sind da ja vielfältig. (Zugegebenermaßen sind aber auch Schwangere die Meisterinnen des Masochismus. Was ich damals an Geburtsberichten gelesen habe, ist mir inzwischen selbst völlig unverständlich.)

Trotzdem: Ist das einfach unsensibel? Oder stecken diese Kommentatoren noch so in ihrem eigenen Schicksal fest, dass ihnen nichts anderes einfällt? Oder ist das Sensationslust?

Ich möchte dann jedenfalls immer einen großen Sack Einfühlungsvermögen nehmen und es großzügig verteilen.

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https://stjama.twoday.net/stories/18097743/modTrackback

Katha (Gast) - 13. Mai, 00:34

Gnarf- wieder mal falsches captcha- bäääh, ich bin doof...

2. Versuch, also...
Von dem Sack Einfühlsamkeit hätte ich auch gerne mal ein Tütchen ab, bitte. Ich kann das nämlich auch schon mal...Nicht so schlimm, wie Du es beschreibst (das habe ich allerdings auch schon einige Male gesehen!!), aber das "Sowas -hatte- ich- auch- mal" kann ich ganz gut. Ich versuche allerdings, nur Geschichten mit gutem Verlauf und noch besserem Ende zu schreiben, es sei denn, es ist explizit anderes gewünscht *gg*

Und das mit den Schwangeren... ja, ich glaube, das stimmt mit dem masochistischen Zug... Meine...Schwägerin-to-be hat in der Schwangerschaft ständig gefragt, wie dieses und jenes bei mir war. Sie hat so gebohrt, dass ich ihr schließlich sogar die unangenehmen Dinge meiner Schwangerschaften erzählt habe- und ich habe es erst hinterher wirklich bemerkt... Und ich hatte mir eigentlich geschworen, ihr das nicht zu erzählen ... Naja, sie hatte dann ihre eigenen Probleme*gg*

Allerdings finde ich auch, dass man solche Reaktionen quasi provoziert, wenn man es schreibt. Wenn man unklare Symptome hat und schreibt "Wir haben diesunddas" wird es immer jemanden geben, der "sowas auch mal hatte" und "helfen" möchte. Und genau das ist der grund, warum ich so etwas nicht aufschreibe... Als es beim Großen den Verdacht auf einen Herzfehler gab hatte ich so schon Sorgen genug und wollte nicht von anderen hören was es sein könnte- deswegen habe ich es nie gepostet. Deswegen habe ich auch nie gepostet, dass es ein falscher Alarm war, aber- es hätte, wie Du so schön schreibst, sicher einen "hatten wir auch mal" Kommentar gegeben. Und deswegen kann man sich vorher überlegen, was man schreibt.
Auf beiden Seiten, Blogger wie Kommentator.

Liebe Grüße
von der romanschreibenden Katha

Katha (Gast) - 13. Mai, 00:38

Jetzt antworte ich mir nochmal selber ;-)
Der letzte Teil des Kommentars klingt irgendwie etwas... unnett ;-) so wie: "Sind doch alle selber schuld die sowas schreiben" ;-)
Ganz so hart meine ich es nicht, nur, dass man sich eben vorher Gedanken machen sollte, was man aufschreibt.
Stjama - 13. Mai, 21:38

Du hast ganz sicher recht damit, dass man auch als Blogger überlegen muss, ob man so was schreibt, weil man mit solchen Kommentaren schon rechnen muss. Trotzdem finde ich diese krassen Beispiele wirklich immer wieder erstaunlich. Ich neige auch zu "Ich-kenne-das-auch", bin auch einmal damit ordentlich auf die Nase gefallen, aber normalerweise halte ich trotzdem einfach die Klappe, wenn bei meinem Beispiel etwas Negatives rausgekommen ist. Dass es in dem Fall ganz anders sein kann, ist ja klar. Aber wenn ich dann mal anfange, die Einfühlsamkeit zu verteilen, bekommst du ein Löffelchen ab. Mehr brauchst du sicher nicht ;)

Wenn der Blogger mit solchen Kommentaren umgehen kann, sollte es ein Leser allemal können ...

Sind denn die ganzen 'alles wird gut'-Schulterklopfer besser, wünschenswerter oder hilfreicher ?

Ich finde es erfrischend, wenn wenigstens ab und an einer mal sagt, dass eben nicht zwangsweise alles gut wird, sondern es auch 'shit happens'-Fälle gibt. Und das nicht politisch korrekt in Watte verpackt ausdrückt.

Neben dem Sack Einfühlungsvermögen liegen hoffentlich eine Schachtel Realitätsbonbons und eine Packung "yes, life can suck sometimes"-Taschentücher ;)

Stjama - 14. Mai, 11:14

Zwischen schulterklopfendem "Alles wird gut" und dem ungefragten Ausbreiten von Horrorgeschichten gibt es ja zum Glück noch ein paar Zwischenschritte ;) Ich finde nicht, dass alle nur so tun sollten, als wäre ja nichts. Das wäre das eine Extrem. Aber das andere Extrem sollte wirklich auch vermieden werden.

Dass Krankheiten noch längst nicht die selbe sein müssen, nur weil ich als Laie über die Entfernung meine, ein Symptom könnte ähnlich sein, ist ja nun auch kein Geheimnis. Und dass auch gleiche Krankheiten vollkommen unterschiedlich ablaufen können, ebenfalls. Daher hat es auch nicht viel mit Realismus zu tun, auf die schrecklichen Auswirkungen der eigenen Erfahrung hinzuweisen, denn wir als Laien können unmöglich einschätzen, ob unsere Realität etwas mit der Realität des Bloggers zu tun hat.

Wenn ein Blogger um Rat fragt oder um Erfahrungen bittet, ist das natürlich eine ganz andere Sache. Dann würde ich durchaus aus eigene schlechte Erfahrungen aufschreiben (wobei es ja auch da Unterschiede in der Formulierung geben kann). Wenn das aber nicht der Fall ist, sollte man sich mit solchen "Rat-Schlägen" einfach zurückhalten.

Aber du hast schon recht: Für das andere Extrem schaden die Realitätsbonbons und die "yes, life can suck sometimes"-Taschentücher gar nicht, diekommen mit rein ;)
Frau Federschwarz (Gast) - 15. Mai, 00:03

ich sag mal danke ♥ weißt schon... :)

(und: OMG, das kann wirklich 12 (!!!) cm reißen????)

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