Als ich zum ersten Mal direkt mit dem Tod konfrontiert wurde, weil mein Opa Heinz starb, war ich 14 und seit eineinhalb Jahren exzessive Stephen-King-Leserin.
Ich kann mich bis auf eine kleine Szene nicht an die Beerdigung erinnern, wohl aber an das Gefühl des Schreckens, das ich dabei empfunden habe. Drei Monate später starb meine Oma Leni und wurde im gleichen (Familien-)Grab bei uns im Ort beigesetzt. An diese Erinnerung habe ich mehr Erinnerungen, aber keine besseren.
Über Verwesung hatte ich sehr konkrete Vorstellungen. Stephen King beschreibt sie ja genüsslich in allen unappetitlichen (und vielleicht nicht einmal realistischen) Einzelheiten. Wann immer ich zu einem Friedhof kam, hatte ich das Bild verwesender und würmerzerfressener Leichen vor Augen. Und das in Zusammenhang mit meinen Großeltern bringen zu müssen, war für mich unerträglich.
Vielleicht war auch ein bisschen Faulheit dabei, denn wir Kinder sollten im Sommer hin und wieder mit dem Rad zum Friedhof fahren, um dort zu gießen. Aber ich entwickelte auf jeden Fall eine so entschiedene Abneigung gegen Friedhöfe, dass ich mich schlichtweg weigerte, sie zu betreten.
Inzwischen bin ich ja viel reifer und weiser geworden (höhö), lese auch kein Stephen King mehr und habe mich auf andere, gesündere Weise mit dem Tod beschäftigt. Der Tod meiner anderen Großeltern war immer noch schlimm, natürlich. Aber er hatte nicht mehr diesen körperlosen Schrecken, den die vielen Horrorbilder in meinem Kopf ausgelöst hatten.
Das Grab in meinem Heimatort mag ich heute noch nicht gerne besuchen. Da ist eine gewisse Abneigung geblieben. Das andere, in dem meine Großeltern mütterlicherseits liegen, ist hingegen der erste Ort, den ich aufsuche, wenn ich meine Verwandten dort besuche. Ich bin gerne dort. Wie auch auf anderen Friedhöfen, inzwischen.
Die Schule des Töchterchens liegt in der Nähe eines Friedhofs. Manchmal, wenn ich zu früh zum Abholen da bin, husche ich noch ein paar Minuten dorthin. Ich genieße die besondere Ruhe, die auf vielen Friedhöfen herrscht und die gar nicht so sehr von Trauer und Schmerz, sondern mehr von Liebe und Andenken durchzogen ist. Und ich mag es sehr, wenn Gräber anders gestaltet sind als "üblich", wenn Menschen persönliche Formen gefunden haben, an ihre Verstorbenen zu denken.
